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Eine wahre Geschichte erzählt von Hans-Joachim Franz " Odysseus"
Ein Hallo an alle, die der Hochseefischerei treu geblieben sind!
Ein Erlebnis treibt mich dazu, wieder einmal zur Feder zu greifen und mich an Euch zu wenden. Anfang August 2010, machte ich in
Saßnitz Urlaub mit meiner Familie.
Da "Schiffe gucken und Hochseefischer suchen" nicht das Interesse aller Familienmitglieder hervorruft, zog ich einen Tag lang alleine
zum Saßnitzer ehemaligen Kombinatshafen. Ein Besuch des hervorragenden Fischerei- und Hafenmuseums sowie des dazu gehörenden
26m Museumskutter "Havel" waren sehr schön und lehrreich.
Dann kam der "praktische Teil" im Hafen. Ein paar 26 m Kutter dümpelten so vor sich hin, bei einem konnte man Ziegen auf dem
Fangdeck halten, so wuchs das Grünzeug auf dem Kutter, man kann wohl sagen, dem ehemaligen Fangdeck.
Einige waren dem Rost ausgeliefert und einen Kutter hatte man versucht zum Angelkutter umzufunktionieren.Also im Großen und
Ganzen ein Bild des Jammers.
Aber nun kommt es:
Der Kutter Sternhai Fischereikennung SAS 320
ragte wie ein einsames Monument aus diesem
Bild des Jammers hervor. Tadellos im Zustand
und Farbe, Netze ordentlich aufgetrommelt,
Tauwerk picobello "aufgeschossen", Vorhänge
an den Bullaugen, so lag das Schiffchen vor mir.
In der Vorpik pönte ein älterer Kollege an einem
Schott. Nach einem kurzen Gespräch wusste ich,
es ist Kapitän Gerd Erler. Älteren "Hofis", die in
Mocambique mit dabei waren noch von den
Saßnitzer Schiffen in Beira bekannt. Er ist noch einer von den wenigen die in Saßnitz der Hochseefischerei nachgehen. Die anderen Fischer
deren Schiffe nun vor sich hindümpeln, wurden durch die Quotenpolitik und die EG in Brüssel "vom Markt" genommen.
Noch trauriger sieht es bei den Holzkuttern aus. Ein Fischer hat seinen Protest und seinen Unmut in einem Transparent geäußert.
Ich glaube das sagt alles.
Sinnigerweise heißt der Kutter an dem das Transparent hängt: SAS 73 "Vereinigung".Ein Schelm wer Böses dabei denkt.
Ach so, bevor ich es vergesse, nach dem Gespräch mit Kapitän Erler gab er mir den Tipp mal über die Mole zu schauen, da kam ein
Hecktrawler modernster Art von Mukran wo die modernste Fischfabrik von P&P und Co. steht. Er hatte seinen Fang gelöscht und
sauste mit Voll Voraus wieder zum Fangplatz. Nur schade dass er eine schottische Fischereikennung trug!
Auch mein Urlaub 2011 führte Ende August wieder nach Saßnitz.
Beim ersten Bummel im Fischereihafen, fiel mir das Fehlen von SAS 320 "Sternhai" auf. Ein Jahr vorher war Kapitän Erler noch in den
Vorbereitungen zum Dorschfang, aber in diesem Jahr? Einen Tag später sah ich aber das unverwechselbare grün seines 26,5m Kutters,
er wurde aber nur kurz an der Pier festgemacht, um danach an die Fischhallen zum Löschen des Dorschfanges zu verholen.
An diesem Tag also keine Zeit zum Gespräch. Am Abend nach getaner Arbeit, hörte ich nur das knappe Kommando an seine Besatzung:
"Allgemeiner Verschlusszustand" und Sonntag um 18.00 Uhr wieder hier. Ein paar Worte konnten wir noch wechseln. Natürlich ging es
wieder um die Quotenpolitik und ihre Auswirkungen auf die Existenz der noch verbliebenen Fischer. Es kam nicht viel Gutes raus dabei.
Unkontinuierliches Fischen, durch Brüssel vorgegebene längere Zwangsliegezeiten, die keinem Fischereifahrzeug gut tun .
Auch Gert Erler kann ein trauriges Lied davon singen. Auch er hat mit Reparaturen und ihren Kosten zu kämpfen, denn ein Schiff kann
sich auch "Kaputtliegen".
Hinter seinem "Sternhai" lag SAS 317 "Eishai", voriges Jahr noch aktiv, war wohl dem Aussehen nach in diesem Jahr Schluss. So geht ein
Kutter nach dem anderen an die Kette. Bewundernswert erscheinen mir daher der Mut und die Ausdauer von Kapitän Erler. Das Schöne i
n dieser Traurigkeit ist, dass auch sein Sohn "Basti" in die Fußstapfen von Vater Erler getreten ist und mit seinem Heckfänger "Crampas"
die Fahne der Saßnitzer Fischerei hochhält. Ein paar Worte konnte ich auch mit ihm wechseln. Also: Basti Erler, Dir und Deiner jungen
Crew wünsche ich noch viele Jahre in der Fischerei. Nun zurück zum "Sternhai". An diesem Donnerstagabend, war nicht mehr viel Zeit
zum Klönen, Frau Erler, eine so wie ich feststellte, resolute Fischersfrau, machte mit sanftem Druck unserem Gespräch ein Ende.
Nach ein paar Tagen und Nächten am Fangplatz und dem Löschen des Fanges musste auch Kapitän Erler das Gespräch abbrechen und
heimatlichen Gefilden zustreben.
Am Sonntagabend ging es mit meiner Familie zum Abendessen in den Stadthafen. Von weitem sah ich schon, SAS 320 machte
"Klar zum Auslaufen". Durch das geöffnete Brückenfenster rief mir Gert Erler zu: "Komm rauf, kannst mitfahren", erst glaubte ich
an einen Scherz, aber er meinte nur, er müsse noch zur Eisfabrik, Eis nehmen, denn die Verarbeitungsmaschine für Dorsch war defekt
und so hieß es für die Besatzung: "Handschlachten"!So kam es, dass ich 62jähriger Opa, dem Seemannleben körperlich entwöhnt auf seinen
Dampfer kraxelte. Meine Frau sagte mir später: "Eigentlich solltest du noch die Leinen Loswerfen", aber das hatte ich in aller Aufregung glatt
überhört. Frau Erler erledigte auch dieses Manöver mit Routine. Wären der Überfahrt zur Eisfabrik zeigt er mir noch ein paar Fotos in seinem
Kartenraum unter anderem auch die ROS 316 "Junge Welt" während der Heringssaison in der Ostsee bei Übernahme von den Kuttern.
Goldene Zeiten! Auch einen Wimpel oder Aufkleber vom Dresdner Stammtisch "Hiev up" zeigte er mir mit Freude. So vergingen die Minuten
bis zur Eisfabrik wie im Fluge.
Mit einer kurzen Verabschiedung in der Hoffnung uns vielleicht beim Stammtischtreffen in Dresden 2012 wieder zu sehen und meinerseits
beste Wünsche für seine Fangreise zum Adlergrund, beendeten wir unser diesjähriges Zusammentreffen. Mein Absteigen vom Schiff, war
auch nicht das gelbe vom Ei, denn mit Strandsandalen ist ein arbeitsschutzgemäßes Bewegen von Bord nicht möglich, wobei auch noch
Klettern angesagt war. Aber die Tatsache mal wieder auf einem aktiven Fischereifahrzeug mitgefahren zu sein überwiegt Alles.
Danke, Gert Erler!!!
Es grüßt alle mit "Hei Geit"
Hans-Joachim Franz (Odysseus)
vom Warener Hochseefischerstammtisch